Ralf Thenior, geboren am 4. 6. 1945 in Bad Kudowa/Schlesien, ist in Hamburg aufgewachsen. Verlagskaufmannslehre in Hamburg, Zivildienst in Bremerhaven, Übersetzerstudium in Saarbrücken, Begabtenabitur und anschließend Studium der Germanistik und Soziologie in Hamburg. 1977 Mitorganisator des „1.Bundesdeutschen Lyrikfestivals“ in Hamburg. Ausgedehnte Reisen durch die USA, Kanada, Mexiko und Grönland. Im Wintersemester 1985/86 Poetik-Dozentur der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz. 2009 Writer in Residence beim Wintertuin Poesiefestival in Nimwegen. Lebt als freier Schriftsteller in Dortmund.
* 4. Juni 1945
von Martin Hielscher
Essay
Als 1977 Ralf Theniors erstes Buch „Traurige Hurras“ erschien, wurde in der Zeitschrift „Akzente“ gerade eine heftige Debatte über die Lyrik der so genannten Neuen Sensibilität geführt, ausgelöst durch eine Polemik von Jörg Drews. Im Laufe dieser Diskussion nahm Drews zwei Autoren von seinem vor allem gegen Jürgen Theobaldy gerichteten Vorwurf der „Standard-Posen des Leidens“ und der allzu großen Nähe zum Jargon von „halblinken Kleingruppen“ aus: Rolf Dieter Brinkmann und Ralf Thenior.
Schien ihm Brinkmanns Kraft, seiner Verzweiflung Ausdruck zu verleihen, die Bemühungen von Theobaldy, Krechel, Kiwus, Born, Malkowski und anderen um einen authentischen Ausdruck subjektiver, sinnlicher Erfahrung in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit weit zu übertreffen, so schien ihm Theniors Umgang mit dem Sprachmaterial von größerer Distanz zu ...